Es braucht nur einen Menschen, der zuhört

Letztes Jahr im Herbst, an Flos und meinem letzten Tag am Meer in Italien, begegneten wir am Strand einem deutschen Paar. Sie hatten unseren Feuerwehrbus am Parkplatz gesehen und so kamen wir ins Gespräch. Wir erzählten von unserer Reise und dass wir zum Jodeln in Italien waren – und jodelten ihnen einen. Da waren die Gesichter bei den beiden Urlaubern noch freudestrahlender und sie luden uns ein, mit ihnen zu sitzen.

Wir boten ihnen an, ihnen einen Jodler beizubringen. Die Frau winkte gleich ab „Ich kann nicht singen, ich treffe keinen Ton!“. Ihr Mann bestätigte das „Ja wenn an Weihnachten die Kinder kommen und wir Lieder singen, darf meine Frau nicht mitsingen“, sagte er scherzend.

Puh. Bei solchen Aussagen wird meine innere Rebellin wach und die Heilerin in mir ebenso.

Wir erzählten ihnen von unserer Sichtweise. Dass jede und jeder singen und jodeln kann. Dass es unsere Natur ist und das, was als Babys noch selbstverständlich ist, nur irgendwann verlernen. Dass wir es jederzeit wieder wachrufen können.

Wir legten also los, ihnen die erste Jodelstimme beizubringen. Sie taten beide ihr Bestes, doch tatsächlich lag die Frau ein paar Töne daneben. Das gibt es manchmal, dass Menschen ihren eigenen Ton in Relation zu anderen nicht hören können und dementsprechend gar nicht wahrnehmen und ändern können, dass sie etwas anderes singen.

Hier hätten wir aufhören können. Wir hätten sagen können „diese Frau kann einfach nicht singen, sie trifft keinen Ton, so ist keine Harmonie möglich“.

Stattdessen hat Flo mit dem Mann die eine Jodelstimme geübt. Und ich habe die Frau an der Hand gehalten, ihr direkt in die Augen geschaut und ihr einen Ton vorgemacht. Sie machte wieder ihren eigenen, anderen Ton. Dann sang ich mit ihr ihren Ton. Sie entspannte sich und wir waren eins im Klang. Als ich ihr jetzt einen anderen Ton vorschlug, konnte sie mir folgen.

Noch ein paar Mal spielten wir mit den Tönen auf diese Weise. Wenn sie einen anderen Ton machte als der, zu dem ich sie führen wollte, gab ich ihr Feedback, indem ich ihren Ton kopierte. Ihre Augen weiteten sich jedes Mal und ich hatte den Eindruck die Groschen fallen zu hören – dass sie endlich einmal hören konnte, welche Töne sie eigentlich machte und wie sie sich von denen anderer unterschieden. Nach 5 Minuten hatten wir die Jodelstimme gelernt. Wenn ich sie ansah und mit ihr in engem Kontakt blieb, konnte sie sie perfekt mit mir singen.

Dann verbanden wir uns wieder mit den Männern und jodelten jetzt zu viert zweistimmig – wir Frauen eine Stimme und die Männer die andere.

Kannst du dir vorstellen, wie lebendig und voller Freude die Gesichter in diesem Moment waren? Wie groß die Freude und das Selbstvertrauen dieser Frau, die vermutlich seit 40 Jahren oder länger vor niemandem gesungen hatte? Wie erstaunt ihr Mann war? Wie beglückt ich in diesem Moment war? Und wie groß die gemeinsame Freude über dieses vierstimmige Jodelvergnügen?

Natürlich waren da auch schiefe Töne dabei. Und natürlich kann man ein ungesungenes Leben nicht in 5 Minuten regenerieren. Aber ein Durchbruch und Freude an der eigenen Stimme und dem gemeinsamen Singen ist in jeden 5 Minuten möglich.

Dazu braucht es nur einen Menschen, der zuhört. Wir können diese Menschen füreinander sein. Du kannst dieser Mensch für andere sein. Wenn Glaubenssätze auftauchen, bleib stehen und ermögliche eine andere Erfahrung. So passiert Heilung – Stück für Stück.

Auf dass alle Stimmen frei erklingen und wir Menschen uns miteinander singend-jodelnd verbinden! Aho!

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