Am Wochenende auf Bayerns größtem Volksmusikfest haben Flo und ich die Musiker bewundert, die so leicht und gekonnt ihr Instrument spielen. Die mit ihren Geschwistern auf der Bühne stehen und die gemeinsame Sprache der Musik sprechen. Die in sie hineingeboren sind und so selbstverständlich auf der Bühne zu stehen scheinen. Deren Stücke perfekt arrangiert sind und jeder Ton sitzt, selbst wenn das Zirkuszelt im Gewittersturm zusammen zu brechen scheint.
Und uns wurde einmal mehr bewusst:
Das sind wir nicht.
Wir sind nicht in die Musik hineingeboren.
In unseren Familien war sie keine gemeinsame Sprache.
Wir haben nicht Musik studiert.
Wir haben nicht gelernt, wie man arrangiert oder auf der Bühne steht.
Das könnte, und tut es bei Zeiten, zu einigen Selbstzweifeln führen.
Wir sind nicht gut genug.
Was bilden wir uns eigentlich ein.
Schuster bleib bei deinen Leisten – Vielleicht sollten wir das machen, was wir studiert haben (dann würde Flo Versicherungen verkaufen haha).
Aber dann zu erkennen, dass genau darin auch eine Qualität steckt. Dass bei weniger musikalischem Können das Herz in reinen und simplen Klängen vielleicht umso mehr mitmusiziert. Im besten Fall schließen sich musikalisches Können und Herz natürlich nicht aus.
Und auch zu erkennen, was genau für eine Musik es ist, die wir machen. Dass es dabei nicht um Performance sondern vielmehr um Heilung geht. Und das einen geeigneten Rahmen braucht.
Bei uns ist jedenfalls jeder Ton, den wir nach außen geben, jedes Konzert, jede Jodelwanderung, jede Stimm-Session, jedes Ständchen… ein Produkt harter innerer Arbeit.
Wir sind die erste Generation in unseren Familien, die das kreative, künstlerische, musikalische Schaffen als unsere Berufung fühlen. Und wir wühlen uns durch Schichten von Scham, Selbstzweifeln, Unwissenheit, um dem zu folgen.
Denn wenn das Herz singen will, wie könnte ich diese Töne für mich behalten?
Wir wachsen hinein in unsere Aufgabe, wachsen hinein in die Musik. Was total erfüllend ist und gleichzeitig sehr konfrontiert.
Und vielleicht macht gerade das uns zu guten Reiseleitern für andere Menschen, ihre Kreativität und Musikalität zu entdecken.
Wäre es selbstverständlich für uns, uns musikalisch auszudrücken,
würden wir den Schmerz des Verschlossenseins nicht kennen,
dann wäre der Weg in die Öffnung für uns vielleicht gar nicht so nachvollziehbar.
Jeder Schmerz birgt einen Schatz für die Gemeinschaft, hat mal eine weise Person gesagt.
Daran erinnere ich mich, wenn die Stimme des „nicht gut genug“ mal wieder laut wird.
Unser Weg ist nicht zufällig genau so, wie er ist.
Daran glaube ich zutiefst.
Deine Amélie Mehru