Wie wir unsere Beziehung zu Geld heilen und es mehr wird, wenn wir es teilen
Dieses Jahr zu Weihnachten wollte ich Flo etwas Besonderes schenken. Ich habe nicht geahnt, wie sehr mich dieses Geschenk herausfordern, konfrontieren und heilen würde. Mein Gott war ich froh, als ich Flo gestern Abend endlich von allem erzählen konnte! Meinen Prozess damit will ich heute mit euch teilen, weil ich glaube, dass er wichtige Lehren enthält, wie wir mit uns und unserem Geld umgehen können, um eine zukunftsfähige (Welt)Gemeinschaft mitzugestalten.
Denn ist dir schon mal aufgefallen, dass wir Deutschen Geld nur „verdienen“ können? In anderen Sprachen und Kulturen gelten andere Wirklichkeiten. Die Amis und Italiener zum Beispiel „machen“ Geld, die Franzosen und Spanier „gewinnen“ es sogar, und die Ungarn „suchen“ es haha.Wie wäre eine Welt, in der Geld – gleichzusetzen mit dem, was wir im Moment zum Leben brauchen – einfach da wäre? Wenn Geld eine Währung der Liebe und des Vertrauens wäre?
Anfang Dezember 2019. Flo und ich sitzen vor der Verlosung des Bedingungslosen Grundeinkommens. Heute werden 42 davon verlost. 42 mal 1000€ monatlich für ein Jahr! Eine Frau, die vor einem halben Jahr gewonnen hat, berichtet davon, was für einen Druck das von ihren Schultern genommen hat. Und davon wie krass es sich anfühlt, so ein Vetrauen entgegengebracht zu bekommen. Wie sie seitdem mehr dem nachgehen kann, was ihr wirklich am Herzen liegt, Kinderyoga, und sich damit etwas Neues aufbaut. Ich sehe Flo gebannt vorm Bildschirm sitzen und beten. Zum 42. Mal werden die Kugeln gezogen… und es war wieder nichts.
Es bricht mir das Herz, ihn seit Monaten finanziell kämpfen zu sehen. Mit 31 Jahren hat er beschlossen, sein bisheriges (Berufs)Leben hinter sich zu lassen und seinem Herz zu folgen. Sein größter Traum ist es, sich musikalisch zu verwirklichen, buchstäblich wie im übertragenden Sinne seine Stimme zu finden, an einem schönen Platz in der Natur eine Gemeinschaft und Familie zu gründen und anderen Menschen das an Unterstützung und Heilung zu ermöglichen, was er in dieser Phase jetzt selbst benötigt.Viele seiner Freunde sind in dem Alter mit Niederlassen, Familienplanung, Karrieredurchstart beschäftigt. Aber er folgt mutig seinem inneren Ruf. Um sich während dieser Wander- und Lehrjahre über Wasser zu halten, arbeitet er immer wieder als Assistent bei einem Menschen mit Behinderung. Dabei verdient er netto weniger als 10€ die Stunde und entscheidet sich trotzdem für sein Herz statt für das profitorientierte Wirtschaften, wo er beruflich herkommt.
In diesem Moment gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Mich macht die Ungerechtigkeit unseres Systems fertig. Oft sind es doch die Menschen mit den guten Absichten für das Große und Ganze, die drauf und draufzahlen müssen. Als Sohn in einer Familie mit vier Kindern hat sich Flo schon immer alles selbst verdienen müssen. Seine Eltern haben alles in ihrer Macht und Liebe Stehende für ihn getan, aber eine finanzielle Unterstützung während Ausbildung oder Studium, wie das bei mir und anderen selbstverständlich war, war einfach nicht drin.
Ich wünsche mir so sehr für ihn, dass er mal all die Unterstützung, die er so gerne anderen zukommen lässt, selbst erfährt, denke ich in diesem Moment. Ich wünsche mir für ihn das Gefühl, getragen zu sein. Vom warmen Rückenwind der Gemeinschaft, die ihn bedingungslos unterstützt auf seinem Weg.
Ich weiß in diesem Moment, ich kann nicht bis zur nächsten Verlosung des Bedingungslosen Grundeinkommens warten und auf die richtigen Zahlen hoffen. Es ist jetzt Zeit, ein Zeichen zu setzen.
In den nächsten Tagen zerbreche ich mir den Kopf, wie ich das, was ich so stark in mir fühle, unserem Netzwerk verklickern kann. Immer wieder formuliere ich Zeilen und lösche sie und schreib’s wieder anders… Dabei spüre ich immer wieder solch eine Scham und Angst. Was wenn die mich für verrückt halten? Für eine Bettlerin? Was wenn niemand antwortet?? Über Geld spricht man doch nicht, vor allem wenn man keins hat! Und vor allem bittet man keine Freunde um Geld, oder? Ist das Flo überhaupt recht? Wie reagiert er wohl, wenn ich ihm davon erzähle?All das spüre ich in mir und mache trotzdem weiter. Irgendwann habe ich eine Formulierung gefunden, die sich einigermaßen stimmig anfühlt. Und überlegt, wer diese Nachricht bekommen soll, wem ich mich damit anvertrauen kann. Mein Mauszeiger schwebt schon über der „E-Mail senden“- Taste, ich lese wieder und wieder meinen Text durch. Irgendwann klicke ich auf Senden und mein Herzenswunsch flattert los. Puuuuh…Die erste Antwort, die ich bekomme, ist eine Mail, dass ich einen Verteiler nicht hätte verwenden sollen. Zonk. Es war der einzige Verteiler, bei dem ich mich getraut habe… Ich versinke vor Scham im Erdboden und will am liebsten alles rückgängig machen.Gestern – Der heilige AbendFlo liest gerade meinen Brief und schaut irritiert drein, als seine Augen an der Stelle mit der Paypal-Adresse hängen. Das richtige Passwort hat er schnell kombiniert und sich eingeloggt. Da sieht er jetzt mehrere Namen von Freunden mit Geldbeträgen und lieben Nachrichten… Er versteht noch nicht…“Hä Schatz, was ist das?“
In diesem Moment kann ich mich nicht mehr halten, all die heimlichen Momente der letzten Wochen, das Wechselbad der Gefühle bei Antworten und ausbleibenden Antworten, die bedingungslose Liebe, die Menschen geschenkt haben… all das bricht nun aus mir heraus und unter Tränen erzähle ich ihm von der ganzen Rückenwind-Aktion.
Wir lesen jetzt alle Nachrichten. Einige Leute haben Worte geschenkt oder ideelle Unterstützungsangebote, andere Geld oder beides. Gerade noch am Nachmittag hat eine liebe Bekannte, die Flo gar nicht kennt, und der ich mehr zufällig von der Geschenkaktion erzählt habe, Geld überwiesen, weil sie gerade am Abend zuvor viel im Singkreis verdient hätte und Geld ja bekanntlich mehr werde, wenn man es teile. Ich bin so tief berührt von der Unterstützung, die Flo und ich bekommen haben. Viele Menschen, die Geld geschenkt haben, schwimmen selbst nicht in selbigem. Und dennoch haben wir Flo zusammen 327,21€ geschenkt.
Flo kann noch nicht ganz fassen, was da passiert ist. Ich kann förmlich dabei zuschauen, wie in seinem System alles rattert und langsam durchsickert, dass man Geld auch einfach „gewinnen“ darf, dass all diese Menschen einfach an ihn glauben. Beim Einschlafen schaut er mir in die Augen und sagt „Gell, ein bisschen verrückt bist du ja schon!“
Danke an meine Schwestern da draußen, euch Unterstützerinnen der ersten Stunde, you know who you are, fürs Mutmachen und eure Liebe. Danke an alle weiteren Unterstützer, ihr seid der Hammer!Und fröhliche Weihnachten euch allen!Möget ihr getragen sein vom Rückenwind der Gemeinschaft!
Wenn wer den Herzenswunsch spürt, Flo zu unterstützen, hier ist die Adresse für Paypal: floweihnachten@yahoo.com.
Eure Amélie