Die ersten Stunden in Indien waren schon ganz schön aufregend und vielversprechend…
Um 2 in der Nacht sind wir in Nagpur gelandet. Wer von dieser Stadt noch nie was gehört hat, ging uns auch so… Es ist der kleinste indische und doch internationale Flughafen, den ich je gesehen habe. Schon im Flugzeug waren wir die einzigen, die nicht indisch aussahen.
Bei der Einreise geht mir mächtig die Pumpe. So viele Fragen hat mir noch keiner bei der Passkontrolle gestellt. Wo ich hin will, wie lange ich bleibe, wen ich besuche, wo ich letztes Mal war… Ist wohl um einiges strikter geworden mit den Visa.
Glück gehabt! Endlich winkt mich der Beamte durch und Flo wartet schon mit unserem Gepäck. Bleibt nur noch eine Frage zu klären: Wo sollen wir jetzt hin mitten in der Nacht?!
Ja, es wäre abzusehen gewesen, dass wir nachts ankommen. Und bestimmt hätte es uns gut getan, nach dieser Reise einfach in ein Bett fallen zu können. Aber nein, wie so oft haben wir kein Zimmer gebucht. Wir haben uns auch nicht entschieden, ob wir jetzt wirklich zuerst in die Dhrupad Schule fahren und dort Weihnachten verbringen.
Nach langer Verhandlung mit den Taxifahrern, die wissen, dass sie um diese Uhrzeit leichtes Spiel haben uns abzuzocken, haben wir uns mit einem geeinigt und sitzen erleichtert auf dem Rücksitz.
Wir haben eine Hotelempfehlung bekommen von dem Cousin der Inderin, die neben mir im Flughafen saß. Und der Taxifahrer hat auch eine Idee, wer uns um diese Zeit noch in Empfang nehmen könnte.
Wir fahren zuerst zu seinem Tipp. Irgendwie unheimlich diese indische Klein- äääh Millionenstadt. Alles sieht total runtergekommen aus. Ich bin froh, wenn wir bald in unserem Zimmer die Tür schließen können.
Angekommen beim Hotel steigt er aus und checkt die Lage. Es ist voll. Leider kein Zimmer für uns. Er macht ein paar Telefonate. Fährt zum nächsten Hotel. Voll! Er erzählt von einer Konferenz aller Minister Indiens in Nagpur. Die brauchen viele Hotelzimmer. Wir fahren zum nächsten Hotel. Sie nehmen keine europäischen Paare! Er fragt uns, ob wir denselben Nachnamen haben. Only married couple allowed. Auf zum nächsten Hotel. Voll! Er spricht mit dem Türsteher, telefoniert mit weiteren Hoteltipps. Voll. Voll. Voll.
Da habe ich eine Idee: Take us to Iskcon Temple please!
Iskcon Temple?, fragt der Fahrer, it‘s closed now. What do you want there??
Fragst du dich das auch?
Na, vielleicht hast du schon mal diese Leute in orangenen Gewändern gesehen, die den ganzen Tag Hare Krishna singen…?
Bei denen habe ich bei meinem letzten Besuch in Indien im Iskcon Tempel in Vrindavan einige Zeit verbracht und bin dort einigen wundervoll herzgeöffneten Menschen begegnet. So eine Hilfsbereitschaft hab ich selten erlebt! Also ist mir in diesem Moment wieder eingefallen, dass ich auf der Karte Nagpurs einen Iskcon Tempel gesehen habe.
Es braucht noch ein wenig, bis ich den Taxifahrer überzeugt habe, uns dorthin zu fahren. Als wir dort ankommen gegen 4.30 Uhr, ist das Tor zu. Wir klopfen beim Pförtner. Unser Fahrer fragt nach und übersetzt für mich: Only men allowed. Ich bin erstaunt… In Vrindavan hatte ich immer das Gefühl, es fahren alle eigentlich noch mehr auf Radha ab als auf Krishna (das ist ein Götterpaar und Radha Krishnas Geliebte). Ich höre mich zum Pförtner lachen „So, only Krishna and no Radha in here??“ Er lacht zurück und öffnet das Tor mit dem Hinweis wir könnten ja mal fragen.
Glücklicherweise ist auf die Hare Krishnas Verlass. Sie singen selbst um diese Uhrzeit zu ihrem Geliebten und mein Herz lächelt, als ich die vertrauten Klänge höre. Wir werden freundlich begrüßt, und als wir von unserer Not berichten, werden wir in die Wohnung von ein paar Devotees geführt. Wir dürfen tatsächlich da übernachten!!!
Der Weg führt durch eine seltsame Siedlung, durch ein verfallenes dunkles Haus ohne Licht, aber wir fühlen uns sicher. In der Wohnung schließlich eine einfache Rollmatratze auf dem Boden, welch Heiligtum!
Das ist wohl „Krishna‘s mercy“, von dem ich schon so viele Geschichten gehört hab. Wenn‘s brennt, kommt er um die Ecke und regelt das. Wäre doch schade gewesen, wenn wir das wegen booking.com verpasst hätten! Und ich bin gespannt, wohin er uns auf dieser Reise noch so führen wird…. to be continued.
P.S.: Mama, alles gut hier drüben